Er trägt eine „Maske“, kommt ursprünglich aus Nordamerika und ist hierzulande aufgrund seines vielfältigen Speiseplans und seiner Krankheitserreger sehr umstritten. Gemeint ist natürlich der Waschbär (Procyon lotor), der sich über das vergangene Jahrhundert weit in Deutschland verbreitet hat.
Merkmale
Der Waschbär gehört zur Familie der Kleinbären und sieht von der Statur aus wie das fehlende Bindeglied zwischen Marder und Bär. Seine auffälligsten Wiedererkennungsmerkmale sind seine schwarze Fellfärbung im Gesicht, die aussieht wie eine Maske, sowie sein schwarz-grau geringelter Schwanz. Das restliche, langhaarige Fell besteht aus gräulichem Unterhaar mit schwarzem Deckhaar.
Waschbären weisen eine Kopf-Rumpf-Länge von 40 bis 70 cm auf sowie eine Schwanzlänge von 20 bis 30 cm. Dabei bringen sie ein Gewicht von fünf bis neun kg auf die Waage, wobei die Männchen größer und schwerer sind als die Weibchen.
Auf den ersten Blick scheinen sie aufgrund ihres Solengangs und ihres buckligen Rückens schwerfällig zu sein, doch dem ist nicht so. Waschbären sind äußerst beweglich, gute Schwimmer und hervorragende Kletterer. Sie haben zwar nicht die besten Augen (farbenblind), verfügen dafür aber über einen ausgeprägten Tastsinn und sind in der Lage, mit den „Daumen“ ihrer Vorderfüße Gegenstände zu umgreifen. Beim Ertasten der Beute im Wasser sehen sie etwa so aus, als würden sie etwas waschen – daher haben sie auch ihren Namen.
Darüber hinaus haben sie einen guten Hör- und vor allem Geruchssinn und besitzen ein hervorragendes Gedächtnis, welches ihnen bei der Nahrungssuche hilft.
Lebensraum Nahrung
Der Waschbär stammt ursprünglich aus Nordamerika, doch mittlerweile gibt es ihn auch im Kaukasus, in Japan und ganz Europa. Nach Informationen des NABU wurde Waschbären aufgrund ihres Fells das erste Mal in den 1920er und 30er Jahren nach Deutschland importiert. Hier wurden sie dann in Pelzfarmen gehalten und gezüchtet. 1934 wurden die ersten Tiere in Hessen ausgesetzt, manche brachen über die Jahre auch aus den Farmen aus.
Heutzutage umfasst die Population der Kleinbären hierzulande mehrere Hunderttausend Tiere. Eine genaue Zahl ist nicht bekannt, doch die Schätzungen reichen von 100.000 bis knapp eine Million. Die meisten Exemplare leben in Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, aber auch in Bayern nimmt die Population zu.
Waschbären bevorzugen als Lebensraum vor allem strukturreiche Laub- und Mischwälder mit reichlich Unterschlupfmöglichkeiten und naheliegenden Gewässern. Dort jagen die Raubtiere unter anderem Fische, Krebse, Frösche, Vögel, Insekten, Schnecken, Echsen und auch Mäuse.
Da das Nahrungsangebot im ursprünglichen Lebensraum der Allesfresser aber auch schon einmal knapp werden kann, haben die Waschbären als intelligente Kulturfolger über die Jahrzehnte gelernt, dass es auch in Menschennähe viel essbare Nahrung gibt. In Gärten bedienen sie sich etwa an Apfel- und Kirschbäumen, fressen das Katzenfutter, das nachtsüber auf den Terrassen von Haustierbesitzern zu finden ist, oder durchwühlen die Mülltonnen nach Essensresten. Dieses reichhaltige Angebot hat dazu geführt, dass sich Waschbären auch des Öfteren in Vorstädten sowie Parks und Gartenanlagen niederlassen.
Lebensweise
Waschbären sind nachtaktiv und ruhen tagsüber in Astgabeln oder Höhlungen von Bäumen sowie in verlassenen Fuchs- oder Dachsbauten. Im urbanen Gebiet ziehen sie sich in Kanalröhren, Holzstapeln oder auf Dachböden zurück.
Sie leben generell als Einzelgänger, es kommt jedoch immer wieder vor, dass sich die Männchen in kleinen losen Gruppen zusammenfinden. Dies hilft unter anderem dabei, sich vor Feinden besser zu schützen. Die Weibchen, auch Fähen genannt, teilen sich wiederum ihren Lebensraum, jedoch nur, wenn sie miteinander verwandt sind.
Waschbären sind generell sehr verspielte und kommunikative Tiere mit einem ausgeprägten Sozialverhalten. Je nachdem, was sie gerade machen, geben die Mitglieder der Kleinbären-Familie verschiedene Laute von sich. Sie knurren und kreischen, wenn sie miteinander kämpfen, fiepen, wenn sie jemanden nicht mögen und „keckern“ (abgehackte Laute), wenn sie unzufrieden sind.
Wie Dachse und Eichhörnchen halten Waschbären über den Winter keinen Winterschlaf, sondern eine Winterruhe. Das bedeutet, sie verbringen über mehrere Wochen zwar den größten Teil des Tages mit schlafen, unterbrechen diesen aber immer wieder, um auf Nahrungssuchen zu gehen. Ist der Winter jedoch besonders kalt, machen auch die Waschbären eine längere Schlafpause.
Fortpflanzung
Die Paarungszeit („Ranz“) der Waschbären fällt in den Januar und Februar. In dieser Zeit werden die Weibchen für drei bis vier Tage empfangsbereit. An diesen Tagen treffen sich die Fähen an verschiedenen Sammelplätzen, um sich dort mit den Männchen zu paaren. Die Paarung selbst dauert mehrere Nächte und umfasst neben dem Akt selbst auch längere Vorspiele und Ruhepausen. Während die Männchen versuchen, ihr Erbgut an so viele Weibchen wie möglich weiterzugeben, paaren sich die Weibchen meist nur mit einem Männchen.
Nach der Befruchtung beträgt die Tragzeit der Fähen rund 63 Tage, sodass im Frühjahr jedes Weibchen zwischen zwei und fünf Junge zur Welt bringt. Sollten die Weibchen zu Beginn des Jahres keinen Partner gefunden oder ihre Föten frühzeitig verloren haben, kann es vorkommen, dass sie im Mai oder Juni noch einmal empfangsbereit werden.
Die Jungtiere sind Nesthocker und bleiben in den ersten Wochen in ihrem sicheren Versteck, während die Mutter, die sich allein um die Aufzucht kümmert, auf Nahrungssuche geht. Sobald sie größer sind, streifen sie dann mit der Mutter gemeinsam umher. Der weibliche Nachwuchs bleibt auch im ausgewachsenen Stadium in der Nähe ihres Geburtsortes, während die jungen Männchen wegziehen und andere Gebiete aufsuchen.
Koexistenz oder Bejagung?
Der Aufenthalt des Waschbärs in Deutschland wird immer wieder kontrovers diskutiert. Die einen wünschen sich eine friedliche Koexistenz mit dem putzig aussehenden Raubtier, die anderen fordern seine strikte Bejagung.
Fakt ist: Nachdem der Waschbär in der ersten Zeit nach seiner Freilassung in Deutschland unter Artenschutz stand, fällt er heutzutage unter das Jagdrecht und ist nach Angaben des Jagdverbandes in fast allen deutschen Bundesländern ganzjährig jagdbar. Laut einem Artikel im Focus wurden allein in der Jagdsaison 2020/21 über 200.000 Waschbären erlegt. Solch eine Massentötung bringt aus der Sicht vieler Tierschützer jedoch gar nichts, da Waschbären Populationsverluste mit einer vermehrten Fortpflanzungsrate ausgleichen können.
Die größten Probleme, die die Waschbär-Gegner mit dem Karnivor haben, der 2016 von der EU-Kommission auf die EU-Liste der „invasiven, gebietsfremden Arten“ gesetzt wurde, sind seine Beute und seine Krankheitserreger in Kombination mit der Nähe zum Menschen:
Waschbären haben, wie bereits erwähnt, als Allesfresser eine breitgefächerte Speisekarte und gefährdet damit anderen heimische Arten. Laut dem NABU stellen die geschickten Jäger örtlich unter anderem ein Problem für den bodenbrütenden Kiebitz, Amphibien, den Rotmilan und andere bedrohte Tiere dar. Sie erbeuten nicht nur die Erwachsenen, sondern machen sich auch an dem Nachwuchs zu schaffen.
Darüber hinaus können die Waschbären auch nicht ganz ungefährlich für Menschen und deren Haustiere sein, vor allem wenn sich ein Exemplar auf dem heimischen Dachboden niedergelassen hat. Sie können durch Flöhe, Läuse und Zecken verschiedene Krankheitserreger übertragen, zum Beispiel Staupe. Diese hochansteckende Viruserkrankung kann vor allem für junge, nicht geimpfte Hunde durchaus tödlich sein. Zudem können Waschbären Tollwut übertragen sowie den Waschbär-Spulwurm, dessen Eier sich im Kot des Raubtiers befinden können. Beim Menschen kann dieser zu Nervenschäden, Organversagen und sogar zum Tod führen.
Um dies alles zu vermeiden, fordern die Pro-Waschbär-Tierschützer daher, mehr für den Schutz der Lebensräume zu tun, anstatt den Waschbären zu jagen. Denn eine vielseitige und strukturierte Natur sorgt nicht nur für mehr Sicherheit für die potenzielle Waschbären-Beute, sondern auch dafür, dass Waschbären in ihrem ursprünglichen Lebensraum, dem Wald, bleiben, anstatt in die Städte zu ziehen und den Menschen zu gefährden.
Weitere Gefahren für den Waschbären
Schlussendlich gefährden wir die Waschbären jedoch tausend Mal mehr, als sie uns je gefährden könnten. Die Raubtiere haben zwar natürliche Feinde wie Adler, Uhu, Fuchs oder Luchs und sind anfällig für Viren und Bakterien, doch die Todesursache Nummer eins sind wir, die Menschen. Nicht nur durch die intensive Bejagung, sondern vor allem auch durch unseren Verkehr, dem jährlich unzählige Waschbären zum Opfer fallen.