Bei uns in Deutschland galt der Wolf bis Anfang des 20. Jahrhunderts als ausgerottet. Seit 1990 steht das faszinierende Raubtier unter Naturschutz und im Jahr 2000 wurden die ersten Wolfswelpen in Freiheit in der Oberlausitz geboren. Seitdem hat sich der Wolf Stück für Stück seinen Platz in fast allen Bundesländern Deutschlands zurückerobert und mittlerweile leben in unserer Heimat über 70 Rudel.
Obwohl kein Grund dazu besteht, sind Vorurteile und Ängste gegenüber dem „bösen Wolf“ weiterhin leider in vielen Köpfen der Menschen verankert. Lernen Sie hier mehr über die eleganten Jäger im grauen Pelz und wie wir im Einklang mit ihnen leben können.
Merkmale
Der Europäische Grauwolf ähnelt vom Aussehen her dem Haushund, der auch ursprünglich von ihm abstammt. Wölfe haben in Deutschland keine natürlichen Feinde und stehen an der Spitze der Nahrungskette.
Fell und Körperbau
Im Vergleich zum Hund haben Wölfe einen längeren Rumpf, sind hochbeiniger und haben einen schmaleren Brustkorb. Das erleichtert ihnen das Laufen im Schnee. Auch wenn der Deutsche Schäferhund auf den ersten Blick dem Wolf ähnelt und sogar manchmal mit ihm verwechselt wird, so hat der Wolf jedoch eine gerade Rückenlinie und seine Rute hängt beim Laufen herab. Die Rute von Hunden ist meist gehoben oder bei manchen Rassen sogar nach oben gekringelt. Das Fell des Wolfes ist in der Regel grau-braun und die Schwanzspitze schwarz gefärbt. Charakteristisch ist der dunkle Sattelfleck auf dem Rücken, das Fell seitlich des Mauls und am Bauch ist hell bis weiß. Die Wolfsspur ergibt im Trab eine gerade Linie, da die Hinterpfoten exakt in die Abdrücke der Vorderpfoten gesetzt werden. Wie alle Tiere der Gattung Canis hat auch der Wolf 42 Zähne in seinem sogenannten Scherengebiss, es kann einen Druck von etwa 15 kg pro Quadratzentimeter ausüben und Knochen bis aufs Mark zerbeißen.
Sehsinn
Bei der Geburt sind die Augen eines Wolfes blau, werden dann meist bernsteinfarben oder gehen in eine bräunliche/gräuliche Tönung über. Wie auch die Augen von uns Menschen sind die des Wolfes nach vorne gerichtet und ermöglichen ein räumliches Sehen. Der Wolf sieht jedoch nicht ganz so gut wie wir, beziehungsweise hat sich sein Sehvermögen seinen Bedürfnissen angepasst. So können Wölfe beispielsweise ihre Artgenossen nur auf 30-50 m Entfernung identifizieren, sehen ein geringeres Farbspektrum als wir und können unbewegliche Objekte in der Ferne kaum erkennen. Allerdings nehmen sie weit entfernte Bewegungen exzellent wahr, ob dies ein winziges Insekt im Flug oder ein fliehendes Reh auf einer Waldlichtung ist. Ihre Augen sind besonders gut angepasst auf ein Sehen in der Dämmerung und Dunkelheit, was ihnen eine effektive Jagd auf nachtaktive Beutetiere ermöglicht.
Hörvermögen
Im Gegensatz zum Schäferhund hat der Wolf kleinere, oben abgerundete Ohren, die innen mit dichtem Fell besetzt sind. Er kann sehr gut hören, nimmt Töne bis zu 40 Kilohertz war (der Mensch nur 20 Kilohertz) und kann somit andere Wölfe in kilometerweiter Entfernung erkennen. Auch Töne im Hochfrequenzbereich sind für ihn wahrnehmbar und durch die drehbaren Ohrmuscheln kann er genau lokalisieren, wo das Geräusch herkommt. Es ist ihm sogar möglich, kleine Beutetiere im Tiefschnee auszumachen.
Geruchssinn
Der Wolf kann etwa 100- bis 1000-mal besser riechen als der Mensch und nimmt die Witterung von Artgenossen oder Beutetieren auf bis zu 3 km Entfernung wahr. Auch eine drei Tage alte Spur kann er noch sicher verfolgen. Wölfe sondern über ihre Analdrüsen eine individuelle Duftmarke ab (wie ein Fingerabdruck) und sie können damit feststellen, ob und wie viele andere Wölfe im eigenen Revier waren und ob es sich dabei um Männchen oder Weibchen gehandelt hat. Es kommt oftmals vor, dass Wölfe fremde Territorien durchkreuzen, wenn sie die Witterung von Beutetieren aufnehmen, diese verfolgen und schließlich stellen.
Der Geruchssinn hat einen großen Einfluss auf den Geschmackssinn und Forschungen ergaben, dass ein Wolf salzig, bitter, sauer und (im Gegensatz zur Katze) sogar süß schmecken kann. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass auf dem Speiseplan von Wölfen neben tierischer Kost auch pflanzliche Nahrung steht, wie zum Beispiel Beeren und Früchte. Je süßer diese sind, umso nahrhafter für den Wolf.
Wie leben Wölfe?
In einem Wolfrudel herrscht eine genau definierte Sozialstruktur. Liest oder hört man von Wölfen, so stößt man vor allem in älterer Literatur immer wieder auf das Wort des „Alpha-Wolfes“, also das ranghöchste Tier innerhalb eines Rudels. Unter natürlichen Bedingungen gibt es einen solchen Anführer nicht, da die Rudel aus einem Familienverband mit den Eltern als Leittieren bestehen und nicht aus wild zusammengemischten Einzeltieren, die um die Position des Leitwolfes kämpfen. Wölfe sind scheu und ziehen sich zurück, sobald sie die Witterung von Menschen aufnehmen. Das Ammenmärchen vom bösen und aggressiven Wolf stimmt also nicht, denn er würde uns nur durch hartnäckige Provokation angreifen, um sich zu verteidigen. In Europa sind in den letzten 50 Jahren nur 4 Menschen durch einen Wolf ums Leben gekommen.
Rudeltiere
Mit einem Elternpaar an der Spitze, dem Nachwuchs aus dem Vorjahr und den aktuellen Welpen umfasst ein Wolfsrudel in Europa acht bis zehn Tiere. Wölfe sind mit zehn Monaten ausgewachsen, werden meist jedoch erst mit 22 Monaten geschlechtsreif. Dann verlassen die Tiere das Rudel, um sich einen Partner und ein eigenes Revier zu suchen und schließlich selbst Nachwuchs zu bekommen. Im Yellowstone Nationalpark der USA zum Beispiel ist das Nahrungsangebot so hoch, dass manche Jungtiere trotz Geschlechtsreife erst mit drei Jahren das Rudel verlassen und mehr Einzeltiere im Familienverband zusammenleben. Die Territorien umfassen etwa 150-200 Quadratkilometer und die Größe wird durch das Nahrungsangebot bestimmt. Täglich legt ein Wolf im Schnitt etwa 20 Kilometer innerhalb seines Reviers zurück. Abgewanderte junge Wölfe, die auf Partner- und Reviersuche sind, schaffen auch bis zu 80 Kilometer pro Tag.
Fortpflanzung & Nachwuchs
Einmal im Jahr paaren sich die Elterntiere des Rudels zwischen Januar und März. Nach etwa 64 Tagen bringt die Wölfin in einer Höhle bis zu elf blinde und taube Welpen zur Welt. Die Jungen öffnen nach rund 20 Tagen die Augen, nach vier Wochen machen diese auch die ersten Entdeckungsreisen vor die Höhle und nach sieben bis neun Wochen werden sie von der Mutter entwöhnt. Nun beteiligt sich das ganze Rudel an der Aufzucht der Jungtiere: Einzeltiere passen beispielsweise bei Beutezügen des Rudels auf sie auf oder würgen angedautes Futter für die jüngeren Geschwister hervor. Das Sozialverhalten durch ausgeprägte Körpersprache, Mimik und auch Lautäußerungen wird von den Eltern und älteren Geschwistern erlernt. Durch präzise Dominanz-, Unterwerfungs- und Beschwichtigungsgebärden ist jederzeit klar, wo welcher Wolf im Familiengefüge seinen Platz hat.
Beute & Jagdverhalten
Erwachsene Wölfe fressen etwa zwei bis drei Kilogramm Fleisch pro Tag. Bei Nahrungsknappheit können sie auch zwei Wochen hungern und im Gegensatz dazu auch nach einer erfolgreichen Jagd bis zu 11 Kilogramm Fleisch auf einmal hinunterschlingen. Wölfe jagen meist gemeinsam mit klar verteilten Rollen, nur so können sie auch größere Beutetiere erlegen und das Überleben des Rudels sichern. Zur Beute gehören Frischlinge, Kleinnager, Rehe, aber auch größere Tiere wie Hirsche oder Wildschweine. Außerhalb Deutschlands erlegen Wolfsrudel aber auch Elche oder Bisons, sie passen sich dem Nahrungsangebot an. Wird die Nahrung knapp, frisst der Wolf auch die Abfälle des Menschen … oder dessen Nutztiere. Um Energie zu sparen, jagen Wölfe alte, kranke oder junge Beutetiere, die langsamer und somit leichter zu erlegen sind. Ist die Jagd aussichtslos, so bricht er sie ab, um keine unnötige Energie durch eine Hetzjagd zu verschwenden. Da sie nur eine Erfolgsquote von etwa 11 % haben, müssen Wölfe sich ihre Kräfte einteilen und oftmals über mehrere Tage ohne Nahrung auskommen.
Bedrohungen
Die Zerschneidung der Landschaft durch Straßen ist, wie für so viele Wildtiere, die größte Bedrohung für die Lebensräume der Wölfe. Dadurch, dass sie bei ihren Beutezügen immer wieder Verkehrswege überqueren müssen, kommt es häufig zu Unfällen mit Autos oder Bahnen. Laut dem Deutschen Naturschutzbund starben in den letzten 20 Jahren allein über 200 Wölfe im Straßen- und Schienenverkehr.
Auch wenn die Jagd auf Wölfe heute illegal ist und er streng geschützt wird, fürchten vor allem Weidetierhalter und Landwirte um ihre Nutztiere. Obwohl der Wolf zum natürlichen Gleichgewicht der Wildtierbestände beiträgt, sehen Jäger diesen immer noch vielerorts als Feind und greifen zur Flinte. Da es bisher keine einheitliche Gesetzeslage auf Bundesebene gibt, regeln die meisten Bundesländer den Umgang mit den Wolfspopulationen selbst durch Managementpläne und Empfehlungen. Um Ställe und Gehege wolfssicher zu machen, können Landwirte beispielsweise Gelder beantragen oder im Falle eines bereits entstandenen Schadens auch finanzielle Entschädigung erhalten.
Wolf und Mensch in Harmonie
Wölfe haben sich unserem Strukturwandel gut angepasst und brauchen keine unberührte Wildnis, um zu überleben. Jeder neue Wolf und jeder neue Wurf in Deutschland ist ein Schritt in die richtige Richtung zu mehr Natur und Artenvielfalt. Nur durch die Akzeptanz und auch Toleranz seitens Bevölkerung, Nutztierhalter und Jäger kann ein Zusammenleben in Einklang auch in Zukunft gewährleistet werden. Entschädigungszahlungen bei Rissen sollten unbürokratisch ablaufen, Schäfer benötigen beispielsweise eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation durch eine Weideprämie und die Jägergemeinschaft muss aufhören, den Wolf als Eindringling und Konkurrent zu sehen, der ihnen ihre Beute streitig macht.
Sollten Sie tatsächlich in freier Wildbahn einem Wolf begegnen, was sehr unwahrscheinlich ist, bedrängen Sie bitte das Tier nicht und ziehen Sie sich langsam zurück. Lautes Rufen und Klatschen vertreibt die Tiere wirksam. Seitdem die Wölfe in Deutschland zurück sind, gab es laut dem Naturschutzbund keine einzige Situation, wo die Tiere Menschen gegenüber aggressiv gewesen sind.
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